Nicaragua
Allgemeines
Der Staat Nicaragua (dt. auch Nikaragua) liegt in Mittelamerika. Er grenzt im Norden an Honduras und im Süden an Costa Rica sowie im Westen an den Pazifik und im Osten an die Karibik.
Name
Nicaragua – Der Landesname leitet sich ab aus dem Nahuatl ab (nican = hier, aráhuac = Menschen).
Amtssprache
Spanisch
Hauptstadt
Managua
Präsident
Enrique Bolaños Geyer
Staatsform
Präsidialrepublik
Fläche
129.494 km²
Einwohnerzahl
5.359.759 (Juli 2004 gesch.)
Bevölkerungsdichte
41,4 Einwohner pro km²
Währung
Córdoba Oro
Zeitzone
UTC –5
Nationalhymne
Salve a ti, Nicaragua
Kfz-Kennzeichen
NIC
Internet-TLD
.ni
Vorwahl
+505
Geografie
Nicaragua liegt bei 13° 00' Nord und 85° 00' West. Das Land wird parallel zur Pazifikküste von einer Kette aktiver Vulkane durchzogen, weshalb es auch das „Land der tausend Vulkane“ genannt wird. An der Pazifikküste liegen auch die Zentren und wichtigsten Siedlungsräume des Landes, während die östlichen und südlichen Landesteile dünn besiedelt sind. Zwei große Binnenseen prägen die Geografie – der größere Nicaragua-See im Südwesten mit mehreren Inseln und der kleinere Managua-See im Westen.
Verwaltung
Nicaragua gliedert sich in 15 Verwaltungsbezirke (Departamentos) und 2 Autonome Gebiete (Comunidades Autónomas): Boaco Carazo Chinandega Chontales Estelí Granada Jinotega León Madriz Managua Masaya Matagalpa Nueva Segovia Rio San Juan Rivas Autonomiegebiete: Atlantico Norte Atlantico Sur
Geschichte & Politik
Bei seiner 4. Reise landete Cristóbal Colón im Juli 1502 auf der Insel Guanaja, die zu den hondurenischen Islas de la Bahía gehört. Von der Mündung des Río Coco, dem „Cabo Gracias a Dios“ folgte er der Küste Nicaraguas und ankerte an der Mündung des Río San Juan, um schwere Stürme zu überstehen. Von Panama aus unternahm der Konquistador Pedrarias Davila 1519 Raubzüge nach Costa Rica und Nicaragua. Mit Granadass1523, León 1524 und Bruselas – letzteres verödete nach wenigen Jahren wieder – wurden die ersten spanischen Kolonialstädte in Nicaragua nahe der Pazifikküste gegründet, in den 1520er-Jahren von Spanien als Kolonie besiedelt, um die encomienda in Gang zu setzen. Denn obwohl die unmittelbare Beute des Eroberungszuges nach Nicaragua relativ hoch war, wurde in ihrem Verlauf klar, dass der Reichtum in den Menschen besteht. Während der Cacique Nicarao sein Land für den kastilischen König requirieren, sich zum Christentum bekehren und wertvolle Geschenke machen ließ, wog der Cacique Diriangén die Spanier durch Taufe in Sicherheit, um sie dann mit einigen Tausend Indígenas auf dem Schlachtfeld anzugreifen. Jeglicher Widerstand gegen die Unterwerfung galt den Konquistadoren als Rebellion, die prinzipiell mit Krieg und Versklavung beantwortet wurde. Die wirtschaftlich und kulturell sehr hoch entwickelten Völker der Mangues, Pipil, Nicarao und Choroteguas wurden verschleppt und versklavt, Nicaragua entvölkert. Der Mönch Bartolomé de Las Casas schrieb 1552: „Im gesamten Nicaragua dürften heute 4.000 bis 5.000 Einwohner leben, früher war es eine der am dichtesten bevölkerten Provinzen der Welt.“ Als der Hauptmann Francisco Hernández de Córdoba für Pedrarías durch Nicaragua bis nach Honduras vordrang, 1523 am Nordufer des Nicaraguasees Granada gründet und auf Leute von Hernán Cortés stieß, witterte Pedrarías 1526 bei seinem engen Vertrauten, Leiter seiner Gouverneurswache Verrat und köpfte ihn – so, wie er bereits seinen Schwiegersohn Vasco Núñez de Balboa umgebracht hatte. Der Leichnam de Córdobas wurde bei Ausgrabungen im Frühjahr 2000 freigelegt. Cortés Hauptmann Pedro de Alvarado eroberte 1523 bis 1535 Guatemala und El Salvadór. 1524 erreichten sie San Salvadór. Dabei stießen die beiden Herrschaftsgebiete von Cortés einerseits und Pedrarías andererseits in der Region Nicaragua/Honduras zusammen. Gil González Dávila und Andrés Niño eroberten 1524 Honduras. Als der von Pedrarías entsandte capitán Dávila mit einer in Spanien erworbenen eigenen capitulación an der Karibikküste landete, wurde er von Cortés Leuten in Ketten nach Spanien zurückgeschickt. Da wegen des indigenen Widerstandes in Honduras und Panamá Gouverneure von der spanischen Krone direkt eingesetzt wurden, blieb Nicaragua Pedrarías überlassen. Ein bedeutender Teil der Bevölkerung des heutigen Nicaragua wurde 1538 versklavt und in die Silberminen Perús und Boliviens deportiert.
Die Karibik am Ende des 19. Jahrhunderts
Bereits 1539 entdeckte Diego Machuca den Río San Juan als Wasserstraße zwischen der Karibik und dem Nicaragua-See. 1551 äußerte sich bereits der spanische Chronist Francisco López de Gomara „Man fasse nur den festen Entschluss, die Durchfahrt auszuführen, und sie kann ausgeführt werden. Sobald es am Willen nicht fehlt, wird es auch nicht an Mitteln fehlen.“ Doch der spanische König Felipe II.. sah in der Landbrücke zwischen den beiden Meeren Gottes Schöpfung, die zu verbessern dem Menschen nicht zustünde. Deshalb wurde Plan eines interozeanischen Kanals, des Nicaragua-Kanals vorläufig nicht weiter verfolgt. Die spanische Kolonialherrschaft beschränkte sich lange Zeit nur auf die Pazifikküste und ihr Hinterland am Nicaragua-See und dem kleineren Managua-See. Die Karibikküste (Miskitoküste), die vom Rest des Landes durch gebirgige und unwegsame Regionen getrennt blieb und von den Miskito-Indígenas bewohnt wurde, geriet von Jamaika aus für lange Zeit mit dem Territorium des heutigen Belize unter den Einfluß Großbritanniens. 1725 brach in León ein Aufstand der Indígenas gegen die Spanier aus. 1777 erhoben sich die Boaco-Indígenas unter Führung ihres Caciquen Yarince gegen die Spanier. Volkserhebungen infolge der französische Revolution und Napoléons Besetzung Spaniens in der gesamten Pazifikregion Mittel- und Südamerikas mündeten 1811/12 in den Beginn des Unabhängigkeitskrieges, erste Forderungen nach Amtsenthebung des spanischen Statthalters wurden erhoben. Am 15. September 1821 rief das Vizekönigreich Guatemala, zu dem Nicaragua gehörte, seine Unabhängigkeit von der spanischen Krone aus. Noch heute ziert die Jakobinermütze der französischen Revolution unter den 5 Vulkanen des Landes seine Flagge. 2 Jahre später wurden daraus die Vereinigten Provinzen Mittelamerikas, aus der die zentralamerikanische Föderation hervorging, der neben Nicaragua, Honduras, Guatemala, Costa Rica und El Salvador angehörten.
1878 gab es eine deutsche Militärintervention in Nicaragua nach einem Übergriff auf den Konsul in León. Campesinos in der Pazifikregion rebellierten 1881 gegen die Großgrundbesitzer, die ihnen ihr Land für den expandierenden Kaffeeanbau raubten und sie damit zur Lohnarbeit auf den Plantagen zwangen. Die Geschichte Nicaraguas ist durch den langen Gegensatz zwischen der „liberalen“ Elite aus León und der „konservativen“ Elite aus Grananda geprägt. Mangua als Hauptstadt liegt nicht zufällig dazwischen. Als die Gegensätze innerhalb der nicaraguanischen Oligarchie 1856 in einen Bürgerkrieg umschlug, riefen die „Liberalen“ den nordamerikanischen Abenteurer William Walker mit einer kleinen Privatarmee gegen ihre konservativen Kontrahenten zur Hilfe. Walker strebte jedoch die Unterwerfung ganz Zentralamerikas an, rief sich selbst zum Präsidenten Nicaraguas aus und ließ die 1824 abgeschaffte Sklaverei wiedereinführen. Erst 1857 wurde er von der vereinigten Armee zentralamerikanischer Staaten geschlagen und floh. Mit dem Regime des General José Santos Zelaya kam 1893 die ökonomisch bedeutend gewordene Kaffeeoligarchie der „Liberalen“ an die Macht. Zelaya setzte die Trennung von Staat und Kirche und die zentralisierte Kontrolle des ganzen Landes durch, förderte den Kaffeeanbau und ließ die Verkehrswege ausbauen. Mit dem „Dekret der Wiedereingliederung“ der Miskitoküste ließ 1894 seine Regierung die Miskitoküste durch den General Cabezas militärisch besetzen. Den Miskitos wurde die Aufrechterhaltung einer Reihe von Steuerprivilegien zugesagt. Eine Militärrebellion an der Karibikküste und der Druck der USA zwangen General Zelaya 1909 zum Rücktritt. Die daraufhin wieder an die Macht gelangende konservative Oligarchie unterzeichnete mit den USA ein Jahr später die Dawson-Verträge, in denen sich Nicaragua zu einer in jeder Hinsicht von den USA abhängige Wirtschaft und Politik verpflichtete. Der neue konservative Präsident Adolfo Díaz, bis zu seiner Wahl Buchhalter eines nordamerikanischen Bergbauunternehmens in Nicaragua, nahm 1911 bei US-Banken Millionenkredite auf und überließ als Sicherheit der US-Regierung die direkte Kontrolle der nicaraguanischen Zolleinnahmen. Ein Jahr später musste die Regierung Díaz gegen ein aufständisches Heer des bisherigen Kriegsministers Luís Mena durch US-Marines gerettet werden, die in Nicaragua landeten, die Städte Managua, Granada und León besetzten. 10 weitere Versuche, die US-hörige Regierung zu stürzen, folgten zwischen 1912 und 1924, weshalb die Marines bis 1925 im Land blieben.
1927 entflammte der Bürgerkrieg erneut zwischen der konservativen Regierung und den Liberalen, zu deren Generälen auch Augusto César Sandino zählte. Nachdem der persönliche Abgesandte des US-Präsidenten Coolidge dem Anführer der Liberalen, General Moncada die Präsidentschaft versprach, erzwang er den „Pakt von Espino Negro“, indem die Entwaffnung der Liberalen festgeschrieben wurde. Lediglich Sandino und 30 seiner Soldaten ließen sich nicht entwaffnen, sondern zogen sich in die Berge im Norden des Landes zurück. Dort stellte Sandino von neuem eine kleine Truppe auf, kämpfte gegen die korrupte Regierung und brachte den 1927 im Lande stationierten US-Rangers im Laufe von 6 Jahren eine Reihe von empfindlichen Niederlagen bei. 1932/33 zogen die USA ihre Truppen ab, nachdem sie eine nicaraguanische „Nationalgarde“ aufgestellt und ausgebildet hatten, dessen Oberbefehl bei ihrem Vertrauten, Anastasio Somoza Garcia lag. Diese Nationalgarde, für die formal eine (tatsächlich inaktive) Wehrpflicht existierte, übte gleichzeitig Armee- und Polizeifunktion aus. Zum Präsidenten kürte man seinen Onkel, den Liberalen Juan Bautista Sacasa. Nach Abzug der USA legte Sandino und seine Truppe die Waffen nieder. Somoza ludt Sandino und seine engsten Offiziere zu einem feierlichen Bankett, bei dem sie auf seine Veranlassung am 21. Februar 1934 ermordet wurden. 3 Jahre später putschte Somoza gegen Sacasa und ließ sich zum Präsidenten wählen. Bis 1979 gab die Familie Somoza den Oberbefehl über die Nationalgarde nicht mehr aus der Hand, sondern errichtete mit Raub und Korruption eines der größten Wirtschaftsimperien Lateinamerikas. Sie weitete ihren wirtschaftlichen Einfluss in der sich modernisierenden Wirtschaft ständig aus, unterdrückte autoritär innere Unruhen und leitete den Wiederaufbau des durch ein Erdbeben 1931 zerstörten Landes so ein, dass sie bei dieser Gelegenheit auch ihren Grundbesitz beträchtlich erhöhen konnte. Auch ein 1936 die Hauptstadt Managua zerstörender Großbrand bot dazu weiteren Anlass.
Trotz seiner bisherigen Sympathien für deutsche und italienische Faschisten stellte sich Anastasio Somoza Gracia im Zweiten Weltkrieg 1943 auf die Seite der Vereinigten Staaten und benutzte die Gelegenheit, um alle Deutschen in Nicaragua zu enteignen und das Gros ihres Vermögens und ihrer Kaffeeplantagen an sich zu reißen. Der jüngere Sohn Anastasio Somoza Garcias, Anastasio Somoza Debayle wurde 1946 von seinem Vater zum Befehlshaber der ganz auf die Interessen der Familie eingeschworenen Nationalgarde ernannt. Grenzkonflikte mit Costa Rica 1948/49 sowie 1955 und mit Honduras 1957 wurden dank des Rückhalts aus den USA überwunden. Ein junger, patriotischer Dichter, Rigoberto Lopez Pérez ermordete 1956 den Diktator auf einem Bankett, woraufhin er selbst von Somozas Leibwächtern erschossen wurde. Somozas Sohn, Oberst Luís A. Somoza Debayle wurde Präsident und behielt das Amt bis 1963 inne. Während der Baumwollanbau an der Pazifikküste zur wichtigsten Devisenquelle des Landes wurde, zogen sich die US-Firmen allmählich aus der Karibikregion zurück. Ihre Bananenplantagen, die ausgelaugten Gold- und Silberminen und der Raubbau an Edelhölzern hinterließen tiefe Spuren und ein riesiges, abgeholztes Urwaldgebiet im Nordosten als unfruchtbare Steppe. Einstmals 933 km Eisenbahnnetz (bei einem damaligen Straßennetz von 350 km!) der Bananen- und Holzfirmen verfielen, nicht zuletzt weil Somoza „verdienten“ Offizieren Lizenzen für Autobuslinien parallel zur Eisenbahn schenkte, die dann bei ihm, dem Generalvertreter von Mercedes-Benz, Busse kaufen konnten. Heute existieren nur noch geringe Reste dieses Netzes in einem erbärmlichen Zustand, die kaum noch genutzt werden. Im gleichen Jahr wurde in Puerto Cabezas an der Atlantikküste ein Invasionsheer aus Exilkubanern und lateinamerikanischen Söldnern unter der Leitung der CIA aufgestellt, das in der Schweinebucht in Kuba landete und vernichtend von den revolutionären, kubanischen Truppen geschlagen wurde.
1967 kam Anastasio Somoza Debayle, bis dahin Chef der Nationalgarde, als Kandidat der „Liberalen“ durch Wahlbetrug an die Präsidentschaft. Seine Regierungsmethoden widersprachen liberalen Grundsätzen, aber er genoß großzügige US-Wirtschafts-, Finanz- und Militärhilfe. Nach Ausarbeitung einer neuen Verfassung mit Sondervollmachten für den Präsidenten und der Zwischenregierung einer Junta in den Jahren 1972 bis 1974 ließ er sich wieder zum Präsidenten wählen. Als ein starkes Erdbeben am 24. Dezember 1972 die Hauptstadt Managua zerstörte und ca. 10.000 Menschenleben forderte, nutzte die kleptomanische Familie Somoza schamlos die Katastrophe zur eigenen Bereicherung: Große Teile der internationalen Hilfsgelder leiteten sie auf ihre Konten um, geschenkte Hilfsgüter wurden von ihren Firmen verkauft und sie rissen das durch die Katastrophe aufblühende Bau- und Bankgewerbe an sich. 13 Jahre später lagen noch immer große Teile der Innenstadt samt Kathedrale verwüstet in Schutt und Asche. Trotz Beibehaltung eines formalen Mehrparteiensystems wurde jede echte Opposition durch die Nationalgarde rücksichtslos unterdrückt, Gewerkschafter drangsaliert, Kleinbauern durch rücksichtlose Gewaltanwendung von ihren Parzellen in die verödeten Gebiete des Nordostens oder die entlegenen, verkehrsmäßig nicht erschlossenen Gebiete des Südwestens vertrieben. Die oppositionellen „Konservativen“ erwiesen sich als inaktiv und machtlos. Ihr Interesse richtete sich ausschließlich auf die Bedürfnisse ihrer Klasse. Gewaltsame Auseinandersetzungen aufgrund von Korruption und staatlichem Machtmissbrauch des Diktators Anastasio Somoza Debayle erfasste ab 1977 ein Bürgerkrieg das ganze Land, der am 19. Juli1979 mit dem Sturz Somozas endete (Nicaraguanische Revolution). US-Präsident Ronald Reagan unternahm in den 1980er-Jahren den Versuch, die ihm missliebige Regierung zu stürzen, die in allen westlichen Medien schnell als kommunistisch diffamiert wurde, veranlasste die Verminung des einzigen nicaraguanischen Pazifikhafens Corinto, die finanzielle und militärische Unterstützung vorwiegend von Honduras aus operierender, bewaffneter, paramilitärischer Terrorgruppen (der „Contra“), unter denen Offiziere und Soldaten der früheren somozistischen Nationalgarde waren, die terroristische Überfälle vorwiegend auf die Landbevölkerung unternahm, Minen legten, Ernte verbrannten, Vieh stahlen und die Situation im Lande zu destabilisieren suchte. Reagan nannte diese Terroristen „Freiheitskämpfer“. Gleichzeitig schürte die USA Auseinandersetzungen zwischen der sandinistischen Regierung und den Miskito-Indígenas an der Karibikküste.
Die USA wurden für militärische und paramilitärische Aktionen in und gegen Nicaragua vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag verurteilt, erklärten aber den Gerichtshof für unbefugt, über die USA zu urteilen, obwohl sie selbst Richter an den Gerichtshof entsenden. In einer Resolution forderte die UN-Generalversammlung die USA auf, dem Urteil nachzukommen. Nur die USA, Israel und El Salvador stimmten gegen die Resolution. (siehe auch Iran-Contra-Affäre) 1988 wurde als Ergebnis der Friedensverhandlungen der mittelamerikanischen Staaten untereinander, trotz Einmischung und Störung der USA, das Abkommen Esquipulas II von den zentralamerikanischen Staatspräsidenten unterzeichnet. In diesem Abkommen hatten sich die Staatspräsidenten auf die Demobilisierung aller irregulären Truppen, der Verkleinerung der reguläre Armee sowie freien und geheimen Wahlen geeinigt. Diese politische Öffnung führte schließlich zu den demokratischen Wahlen von 1990, die mit dem Einverständnis der sandinistischen Regierung durch die Vereinten Nationen überwacht wurden. Nicaragua war der einzige beteiligte Staat, der die Übereinkünfte erfüllt hat.
Nicaragua nach 1990
Im Februar 1990 verlieren die Sandinisten entgegen den meisten Erwartungen mit 41 % gegen das Wahlbündnis UNO (Unión Nacional Opositora) unter der Führung von Violeta Chamorro, welches mit Unterstützung der USA Frieden, Wohlstand und das Ende des US-Embargos versprach. Die UNO bestand aus 14 konservative und antisandinistischen Parteien, die gemeinsam gegen die FSLN antraten. Im Vorfeld waren sie so zerstritten, dass sie sich zunächst auf keinen Kandidaten einigen konnte. Schließlich entschied man sich für Violeta Chamorro, die oft in Weiß gekleidet die Unschuld und den Frieden repräsentiert. Daniel Ortega hingegen, politischer Führer der FSLN, trat als Macho, als „Gallo“ (Hahn) in Uniform auf.
Hintergründe
Zum Zeitpunkt der Wahlen hatte der Krieg gegen die durch die USA finanzierte Contra mehr als 29.000 Tote gefordert. Seit 1980 bremste die von den USA verhängte Wirtschaftsblockade die Entwicklung Nicaraguas. Die Regierung versuchte durch eine strikte Sparpolitik die Wirtschaft vor dem Zusammenbruch zu retten, der sich durch die kriegsbedingten Aufrüstungen und die internationalen Wirtschaftssanktionen abzeichnete. Zwischenzeitlich hatte die Inflation einen Höhepunkt von 3.000 % pro Jahr erreicht. Die Arbeitslosigkeit war hoch und der Lebensstandard niedrig. Gleichzeitig waren die Errungenschaften im Bildungs- und Gesundheitswesen sowie in der Landreform nicht zu übersehen. Der wirtschaftliche Zustand sowie die Verluste in der Bevölkerung werden gemeinhin als Begründung des Wahlsiegs der UNO angesehen. Dieser beendete zwar den Krieg und die Blockade, westliche Industrieländer traten auch als Kreditgeber auf, allerdings weit geringer, als die Nicaraguaner es wünschten und gebraucht hätten. Mit dem Ende der Revolution verschwand auch die internationale Solidaritätsbewegung als politischer Sektor. Sowohl in Nicaragua als auch im Ausland war die Wahlniederlage ein großer Schock. Man hatte Violetta Chamorro einfach unterschätzt, sie nicht ernst genommen. Neben dem Verlust der persönlichen Revolutionsträume mussten viele eingestehen, vor lauter Sympathie für die Sandinisten nicht darüber nachgedacht zu haben, wie viel Opfer einem Volk abverlangt werden können. Da kein Ende des Krieges abzusehen war, das somit die Revolution zu einem guten Ende hätte führen könnte, hat sich letztendlich das nicaraguanische Volk gegen den Krieg und für das Leben entschieden.
Reiseführer und Reiseberichte
Wirtschaftliche und politische Entwicklung
In der neuen Regierung kooperierten die moderaten Kräfte beider Seiten miteinander. Die Contra wurde im selben Jahr ins politisch-konstitutionelle Leben eingegliedert. Die Situation nach dem Ende der Revolution war jedoch äußerst angespannt. Die radikalen Kräfte formierten sich. Es kam zu Wiederbewaffnungen, die enttäuschten Contras nannten sich „Recontras“, die enttäuschten Sandinisten nannten sich „Recompas“. Zwei Faktoren trugen wesentlich dazu bei, dass die Situation in Nicaragua nicht explodierte. Zum einen benannte Violetta Chamorro Humberto Ortega (den Bruder von Daniel Ortega) zum obersten Befehlshaber. So gelang es ihr, das riesige sandinistische Heer unter eine, wenn auch sandinistische, Kontrolle zu bringen. Zum anderen stand sie über Monate hinweg in einem wöchentlichen kontinuierlichen Dialog mit den Sandinisten und vermied so, dass es zu einem bewaffneten Aufstand kam. Die neue Regierung, in der die FSLN viele wichtige Posten innehatte, beschloss ein umfassendes Stabilisierungs- und Sparprogramm: eine kapitalistische Privatwirtschaft wurde eingeführt, die Währung wurde abgewertet, die Preise für Grundnahrungmittel stiegen, die Armee wurde drastisch reduziert, der Staatsaparat verkleinert, soziale Einrichtungen, wie Kindergärten wurden geschlossen, das Gesundheitssystem wurde privatisiert, Schulgeld erhoben, Agrarreform und Verstaatlichung im Wirtschaftssektor rückgängig gemacht etc... .
Insgesamt wird in Nicaragua seitdem eine neoliberale Politik in all ihren Facetten betrieben. So wurde zwar die Inflation unter Kontrolle gebracht und die USA lobten die Nicaragua für ihre „Entwicklung“, doch Auslandsschulden, Arbeitslosigkeit, Analphabetenrate, Kindersterblichkeit stiegen und die Lebenserwartung sank. Um diese Entwicklung zu bremsen, wurde 1995 ein mehrjähriges Abkommen mit dem IWF und der Weltbank geschlossen, das u. a. weitere Entlassungen im öffentlichen Dienst vorsah, Erhöhung der Steuern und Gebühren, Reduzierung der Agrarkredite, Privatisierung der Banken und Unternehmen, wie Post, Telefongesellschaft, Wasser- und Energieinstitute, weiter Reduzierung der Sozialausgaben und Liberalisierung der gesamten Wirtschaft. Diese Wirtschaftsform wird bis heute praktiziert und die Zahlen sprechen für sich: Nicaragua hat die größte Pro-Kopf-Verschuldung der Welt, es ist das zweitärmste Land in Lateinamerika, die Arbeitslosigkeit beträgt um die 80 %, 40 % leben in extremer Armut. Nicaraguas Wirtschaft befindet sich im „freien Fall“. Seit einiger Zeit bemüht sich Nicaragua in das HIPC – Programm aufgenommen zu werden, aber es ist nicht absehbar, wie und wann sich diese Situation verändern wird. Viele der Privatisierungen wurden in den Jahren der Regierung unter Arnoldo Alemán ab 1996 vorgenommen, der dabei die Gelegenheit ergriff, seine Reichtümer zu vermehren. Der versprochene Wohlstand trat nicht nur für die wiedergekehrten Somozaanhänger, die sich nach dem Sieg 1979 in die USA abgesetzt hatten, sondern auch für einige ehemalige Sandinisten ein.
Piñata
Die politische Vokabel Piñata bezeichnet die Tatsache, dass einige sandinistische Führungskader sich zwischen dem 28. Februar 1990 (Wahltag) und dem 25 April 1990 (Amtsübergabe) etliche Eigentumstitel ausstellten, Dienstwagen privatisierten und Staatsgüter auf Privatpersonen übertrugen. Zum Teil waren es Eigentumsüberträge von vor 11 Jahren, die nicht übertragen worden sind. Aber in mindestens 200 Fällen wurden staatliche Vermögenswerte und einzelne Betriebe auf die Partei übertragen. Der FSLN hat sich immer davor gedrückt, diese Fälle zu klären, was zu einer tiefen Vertrauenskrise und Verlust von Glaubwürdigkeit führte. 1994 verlassen 4 Parteien die UNO, die sich fortan APO nannte(Alianza Política Opositora). 1996 schlossen sich die gleichen Gruppierungen jedoch wieder zur Alianza Liberal zusammen, die mit Arnoldo Alemán als Präsidentschaftskandidaten die Wahlen 1996 gewinnen. Insgesamt ist das Parteienwesen in Nicaragua durch viele Spaltungen und Neugründungen gekennzeichnet.
Wahl 1996
Arnoldo Alemán von der Alianza Liberal (AL) setzt sich mit 51 % gegenüber dem FSLN mit 38 % durch. Die Regierung unter Alemán zeichnet sich vor allem durch Korruption, Vetternwirtschaft, Bereicherung und Absicherung der Macht aus. Allein in seiner Zeit als Bürgermeister von Managua, von 1990 bis 1995, wuchs sein Vermögen um 900 Prozent. Kein anderer Präsident Zentralamerikas nutzt seine Stellung so offen zur Bereicherung wie er. dasser alle wichtigen Posten (wie Finanzamt, Rechtsabteilung und Steuerbehörde) mit Familienangehörigen oder Freunden besetzt hatte, konnte er unbehelligt Nicaragua ausplündern. Es gibt Spekulationen, die seinen Vermögenszuwachs auf 250 Millionen US Dollar schätzen.
El pacto
Unter dem Begriff „El pacto“ wird die Zusammenarbeit zwischen dem FSLN und der AL bezeichnet. Durch Gesetzes- und Verfassungsänderungen versuchten sie ihre Macht zu stärken und einen Zweiparteienstaat zu errichten. Den Zugriff auf die wichtigsten Gremien (Oberster Wahlrat, staatlicher Rechnungshof, Oberster Gerichtshof) teilten sie sich untereinander auf. Durch Gesetze wurde der Zugang neuer Parteien erheblich erschwert und freie Bürgerlisten bei Wahlen verboten. Des weiteren erhalten der ausscheidende Präsident und Vizepräsident juristische Immunität, indem sie den Abgeordnetenstatus auf Lebenszeit erhalten.
Anklage gegen Alemán
Im August 2002 erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Alemán. Im wird vorgeworfen, während seiner Regierungszeit 10 Millionen US $ aus der Staatskasse unterschlagen zu haben. Im September 2002 werden zehn Verwandte und Mitarbeiter der Veruntreuung von Staatsgeldern für schuldig befunden. Als Parlamentspräsident ist er zwar immun gegen Strafverfolgung, doch sein in die USA und nach Panama verschobenes Vermögen von ca. 7 Millionen Dollar wurde eingefroren und die gesamte Familie bekommt keine Visa mehr für die USA. Beobachter meinen, es sei eine Frage von Monaten, bis Alemán an die Justiz ausgeliefert werde, denn die Parlamentsfraktion beginne zu bröckeln. Da dieser der Vorsitzender der Nationalversammlung ist, ist es bisher nicht gelungen die nötigen Gesetzesänderungen zur Aufhebung seiner Immunität durchzubringen.
Wahl 2001
Trotz der Erfolge der sandinistischen Partei auf kommunaler Ebene, blasser Kandidaten der anderen Partei, verliert die FSLN 2001 erneut die Wahlen. Wieder war Daniel Ortega als Präsidentschaftskandidat angetreten, obwohl sich viele in der Partei gegen seine Kandidatur gewehrt hatten. Am Ende setzte sich die Liberal-Konservative Partei (PLC) mit Enrique Bolaños mit einer deutlichen Mehrheit von 53 % gegenüber 45 % des FSLN durch. Es wurde ein wesentlich knapperes Ergebnis erwartet. Die erneute Niederlage wird mit einer Kampagne der Angst, die Bolaños gegen Ortega führte, begründet. Unterstützt durch die USA wurde Ortega als Terroristenfreund dargestellt, dazu wurden alte Fotos von Ortega mit Saddam Hussein veröffentlicht. Jeb Bush, Bruder des amtierenden Präsidenten George Bush, reiste extra an, um zu verkünden, dass Daniel Ortega ein Feind all dessen sei, wofür die USA stehen. Die Befürchtung wurde gesät, dass im Falle eines Sieges des FSLN, Nicaragua isoliert werde und keine Hilfsgelder mehr empfangen werden. Der neue Präsident hat sich den Antikorruptionskampf ganz groß auf die Fahnen geschrieben. Er fordert die Aufhebung der Immunität des ehemaligen Präsidenten Alemán, sowie ein Ende der Korruption. Einen Überblick über die Ausmaße der Korruption während Alemáns Regierungszeit konnte er sich als damaliger Vizepräsident verschaffen. International machen die USA und der IWF Druck und fordern Transparenz der öffentlichen Gelder sowie Bestrafung von Korruption, falls Nicaragua weiterhin Geld von ihnen erhalten will. Bolaños' medial eingesetzte Antikorruptionskampagne wird allerdings auch misstrauisch beobachtet. Die neuen Privatisierungsvorhaben der Regierung, in denen wieder staatliche Güter zu einem Bruchteil ihres Wertes verkauft werden sollen, lassen auf neue Korruption schließen. Wie ernst und erfolgreich sein Vorhaben sein wird, wird sich in nächster Zeit herausstellen.
FSLN
Die FSLN hat seit der Wahlniederlage 1990 stark mit ihrem Image zu kämpfen. Als erstes kam mit der Piñata das moralische Desaster, bei dem sich viele Sandnisten aus purer Habgier bereichert hatten. Interne Konflikte zwischen den Lagern drohten die FSLN zu spalten, doch Daniel Ortega schaffte es mit eiserner Hand an der Macht zu bleiben. Nach Jahrzehnten an der Spitze der FSLN hat sich Daniel Ortega einen ihm hörigen Führungszirkel geschaffen, der ihn vor jeglicher Kritik abschirmt. Autoritär und realitätsfremd hat er es geschafft über die Jahre politischer Führer der FSLN zu bleiben. Dafür hat die Partei jedoch einen hohen Preis gezahlt. 1994 und 1995 traten zahlreiche berühmte Intellektuelle aus der FSLN aus, darunter Gioconda Belli, die Brüder Fernando und Ernesto Cardenal, sowie Sergio Ramirez. Dieser gründete eine Partei, die jedoch 1996 nur eine kleine Wählerschaft fand. Außerdem hat die FSLN ihre Basis verloren. Große Teile der Bevölkerung sind tief enttäuscht von den Machenschaften der Partei. Auf politischer Ebene kam in den späten 90ern der „Verrat“ durch den Pakt mit der AL. Viele Sandinisten sahen ihre Ideale verraten, als die FSLN just der Partei erhebliche Zugeständnisse machten, die der Inbegriff für Korruption war. Nebenbei wurde der Pakt als Schwächung der Demokratie empfunden. Des weiteren wurden im Laufe der 90er-Jahre einige Machenschaften der FSLN aus den 80er-Jahren bekannt. Neben der Bevölkerung wandten sich auch ehemalige ideologische Unterstützer angewidert von der FSLN ab. Ein weiterer heikler Punkt in der Geschichte des FSLN sind die Missbrauchsvorwürfe gegen Daniel Ortega. Im Mai 1998 verklagt ihn seine 30jährige Stieftochter offiziell wegen sexueller Gewalt. Sie warf (und wirft) ihm vor, sie von 1978 bis 1998 mehrfach sexuell missbraucht und vergewaltigt zu haben.
Als ein Strafgericht in Nicaragua das Verfahren eröffnet, erklärt die Verteidigung Ortegas dieses sofort für ungültig, da Ortega als Abgeordneter Immunität genieße. Im Juni wurde das Verfahren tatsächlich ausgesetzt, da die Klage erst behandelt werden könne, wenn der Kongress Ortegas Immunität aufhebe. Im Dezember 2000 verzichtete Ortega auf seine parlamentarische Immunität und tat so, als wolle er vor Gericht beweisen, dass seine Stieftochter lüge. Im nachhinein stellte es sich jedoch als großes Theater heraus, da er wusste, dass das Verfahren eingestellt wurde, da es nach nicaraguanischem Recht verjährt war. In der Öffentlichkeit wurde versucht dieses Thema soweit wie möglich zu verschweigen. Im November 2000 schafften es die Sandinisten in fast allen wichtigen Gemeinden einschließlich der Hauptstadt Managua zu gewinnen. Ortega präsentierte sich als stolzer Gewinner und nutzte gleich die Gelegenheit, um zu betonen, dass er der einzige Präsidentschaftskandidat für die FSLN sei, in dem er u. a. behauptete, dass es zu gewagt sei, nun mit neuen Führerfiguren zu experimentieren. Doch dass die FSLN die Kommunalwahlen gewonnen hatten, lag nicht an ihm. Eher im Gegenteil, die aufgestellten Kandidaten hatten sich deutlich von Ortega und dem ihm ergebenen Führungszirkel distanziert. Der neu gewählte sandinistische Bürgermeister Lewites hatte sogar die Parteifarben abgelehnt, statt in traditionellem Rot-Schwarz plakatierte er in neutralem Gelb. Nach der letzten Wahlniederlage 2001 wurde spekuliert, ob dies das Ende der politischen Karriere Ortegas sei. Das könnte eine Möglichkeit für den FSLN sein, wieder zu der Volkspartei zu werden, die sie einmal war. Es gibt innerhalb der FSLN Kräfte, die versuchen die Partei in Richtung Sozialdemokratie zu öffnen, doch die Macht des alten Kaders war bisher zu groß. Bis heute zeichnet sich jedoch noch kein Abgang Ortegas von der politischen Bühne ab.
Mitch
Im November 1998 bricht nach 10 Tagen Dauerregen der Vulkankrater Casitas auseinander. Unter einer riesigen Schlammlawine, die von Überlebenden als Donnergrollen beschrieben worden ist, werden mindestens 1.500 Menschen begraben. Auch andere Regionen in Nicaragua sind von dem Dauerregen, der als Folge des Hurrikan Mitchs kam, betroffen. Insgesamt werden rund 20 Quadratkilometer überschwemmt, mind. 4.000 Menschen sterben und 7.000 werden bis heute vermisst. Neben Nicaragua sind noch Honduras, El Salvador und Guatemala betroffen, wobei Nicaragua und Honduras die am schwersten getroffenen Länder sind. Insgesamt fordert der Hurrikan Mitch bis zu 26.000 Todesopfer, bis zu 3 Millionen werden obdachlos. Der wirtschaftliche Schaden für Mittelamerika bewegt sich laut Schätzungen zwischen 2 und 5 Milliarden US-Dollar. Die Opfer waren fast durchweg die Ärmsten, da sie an Flussufern und steilen Hängen in sogenannten Hochrisikogebieten leben, die wirtschaftlich so wertlos sind, dass niemand die illegalen Siedler vertreibt. Sie verloren ihre Häuser, Tiere und Ernten, und die Regierung schaffte es nicht, ihnen einen lebenswürdigen Ersatz zu besorgen. da viele alles verloren hatten, was sie besaßen und nicht an Unterstützung von oben glaubten, setzte eine große Landflucht ein. Die Katastrophe kam aber nicht überraschend. In der Regenzeit kommt es immer wieder zu Überschwemmungen. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die zuständigen Behörden von dem bevorstehenden Dauerregen informiert waren, jedoch nichts unternahmen, um die Menschen in den betroffenen Regionen zu warnen. Im Vergleich dazu starb 1988 nur ein Mensch, als der Sturm Juana zu 99 % die Stadt Bluefields dem Erdboden gleichmachte, da die FSLN rechtzeitig evakuiert hatte. Eine genaue Angabe der Opfer der Katastrophe ist und wird nie möglich, da es keine zuverlässigen Daten gab über die Anzahl der in den betroffenen Regionen lebenden Menschen. Die Infrastruktur Nicaraguas wurde massiv zerstört. Nach den Überschwemmungen kam es zu Plünderungen in den evakuierten Gebieten; Seuchen (Cholera, Malaria und Dengue, Bindehautentzündungen, Durchfall, ...) brachen aus und die Preise der Grundnahrungsmittel stiegen um das Dreifache. Weltweit rollte eine riesige Hilfswelle an. „Politische Touristen“ wie Hillary Clinton reisten nach Nicaragua, um sich vor Ort ein Bild der Schäden zu machen. Die Solibewegung in Deutschland erhielt nach langen Jahren wieder etwas Aufschwung. Doch die finanzielle Hilfe versickerte fast spurlos.
Katastrophenhilfe
Das Ausmaß der Katastrophe hätte etwas eingedämmt werden können, wenn die Hilfe an die Bedürftigen gelangt wäre. In Nicaragua bediente Präsident Alemán nach dem Wirbelsturm Mitch zunächst einmal diejenigen Gemeinden, die von seiner „Liberal Konstitutionalistischen Partei“ regiert werden. Um traditionelle Hochburgen der Sandinisten machten die Hilfslaster einen großen Bogen. Die jahrelangen Einsparungen am Militär machten sich nun besonders bemerkbar, da es nicht genügend Helikopter gab, um Hilfslieferungen in die betroffenen Gebiet zu bringen (Schon zu Zeiten der Sandinisten während des Bürgerkriegs hatte das Militär in Nicaragua nur 8 Hubschrauber!). Die Katastrophe oder vielmehr die ausbleibende Katastrophenhilfe machte die strukturellen Probleme Nicaraguas deutlich sichtbar. Die Landfrage spitzte sich erneut zu, denn die obdachlos gewordene Bevölkerung wohnte auf dem ihr zugewiesenen Staatsgebiet. Alemán wollte das Land jedoch nicht den neuen Bewohnern einfach überschreiben, weil er darauf spekulierte, es noch irgendwie gewinnbringend verkaufen zu können. Durch die ungeklärte Sachlage wurde der Wiederaufbau monatelang blockiert und die Menschen waren gezwungen in ihren provisorischen Unterkünften zu warten, während neben ihnen sich das Baumaterial türmte (und beispielsweise Zement wird in der schwül-feuchten Luft Nicaraguas bei monatelanger Lagerung unter freiem Himmel hart und unbrauchbar). Im Aufbau der Infrastruktur wurden zugleich die Straßen begünstigt, die zu Alemáns Immobilien führten. Deutsche Minister forderten nach einer Besichtigung der Lage in Nicaragua das sofortige Aussetzen jeglicher Hilfsleistungen an das Land, da nicht nachzuvollziehen sei, wohin die Gelder fließen. Da Ernten ausgefallen und der Tourismus zurückgegangen war, wurde versucht durch weitere neoliberale Wirtschaftsmaßnahmen Geld in die Staatskasse zu bekommen. International versuchten einige Länder Nicaragua durch Schuldenerlasse zu unterstützen, doch die tatsächliche Hilfe für die Bevölkerung leisteten letztendlich die NGO. Obgleich sie überfordert waren, mit solch einer Katastrophe umzugehen, schafften sie es, sich zu organisieren und ihre Streitereien über die „richtige“ Unterstützung für einige Zeit beizulegen. Der Hurrican Mitch wurde häufig mit dem verheerenden Erdbeben von 1972 verglichen und Alemán mit Somoza. Wie er nutzte Alemán die Situation zur persönlichen Bereicherung. Im Zuge der Antikorruptionskampagne wurden einige Bereicherungen von Seiten der Regierung aufgedeckt, doch viel Geld bleibt bis heute spurlos verschwunden.
Landfrage
Als die Sandinisten 1979 ihre Landreform durchführten, und das Land an Kleinbauer, Kooperativen und Staatsbetriebe verteilten, hatte man es unterlassen, die neuen Besitzer offiziell in die Katasterämter einzutragen. Man sagt, dass die Sandinisten es vergessen hätten, wahrscheinlicher ist es jedoch, dass sie nicht die Kontrolle über so viel Ländereien verlieren wollten. Diese Umstände führten zur großen Landfrage in den 90ern. Eines der ersten Ziele, die nach 1990 verfolgt wurden, war es die Landreform der Sandinisten rückgängig zu machen. Zunächst wurden Staatsbetriebe zu je 25 % zwischen ihren einstigen Großgrundbesitzern, Landarbeitern, ehemaligen Angehörigen der sandinistischen Armee sowie den ehemaligen Contras aufgeteilt. Doch mit dem Ende der Revolution kamen auch die mit Somoza geflohenen Reichen aus ihrem Exil in Miami zurück und forderten ihr Land. Sie hatten im Gegensatz zu den Bauern und Kooperativen noch ihre Besitztitel. Auf juristischem Wege ließen sich einige Fälle „klären“, wobei die Richter oftmals bestochen worden sind, um zu Gunsten der ursprünglichen Besitzer zu entscheiden. Es folgten harte Auseinandersetzungen, denn das durch die Revolution politisierte Volk, ließen sich nicht „ihr“ Land wegnehmen. Es kam zu zahlreichen Protesten in der Bevölkerung die auch zu einigen Erfolgen führten. So musste Alemán die geplante Neuordnung des Bodenbesitzes 1997 überarbeiten, da es zu großen Demonstrationen und Blockaden gekommen war. Doch die Situation bleibt in vielen Fällen ungeklärt, und die Gerichte schieben den Klagenberg vor sich her. Um die Situation endgültig zu klären, werden seit längerem spezielle Agrargerichte gefordert, doch diese wurden bisher nicht gegründet. Eine Folge dieser unklaren Besitzverhältnisse ist Landflucht.
Migration
Das Nicaraguanische Volk wird von der hohen Arbeitslosigkeit vom Land in die Städte getrieben. Viele versuchen gleich ihr Glück im Ausland und suchen als Illegale Arbeit in Costa Rica oder in den USA. Die Probleme der Verstädterung sind gemeinhin bekannt und verhalten sich auch in Nicaragua nicht anders. Wenn die Landflucht in Nicaragua sich so weiterentwickelt wie es sich abzeichnet, dann werden in Managua bald 60 % der Bevölkerung des gesamten Landes leben. Die vielen Landflüchtigen vergrößern die Menge der Arbeitssuchenden, doch auch in Managua gibt es nicht mehr Arbeit. Wie viele Nicaraguaner in Costa Rica arbeiten und leben ist nicht bekannt. Schätzungen bewegen sich zwischen 10–25 % der Bevölkerung, die meisten davon illegal. Wie bei der Landflucht ist die wirtschaftlich Not der Grund für den Massenexodus. Costa Rica ist wesentlich reicher als Nicaragua und die Arbeitslosenquote beträgt lediglich 20 %. Inzwischen sind die im Ausland arbeitenden Nicaraguaner der Hauptdeviseneinbringer des Landes. Die monatlichen „remesas“, die sie ihren Verwandten und Freunden schicken, bilden eine wichtige wenn nicht einzige Einkommensquelle vieler Familien in Nicaragua.
Canal Seco
Seit Jahrhunderten gibt es Pläne zu einem Kanal durch Nicaragua (siehe auch Nicaragua-Kanal). 1901 entschied der Kongress in Washington jedoch den Bau eines Kanals durch Panama. Da dieser für einige Frachter zu eng geworden ist, wurde nicht nur in Nicaragua sondern auch in Mexico und Kolumbien Pläne für einen Kanal ausgekramt. In Nicaragua tauchten nicht nur alte Pläne auf, sondern gleich ein ganzes Dutzend neue.
El Gran Canal
1999 richtete Alemán im Präsidentenpalast unter dem Namen „El Gran Canal“ eigens ein Büro ein, das sich mit der Kanalidee beschäftigen sollte. Es wurde jedoch eine Abwandlung des klassischen Kanalverlaufs verfolgt. Um vorprogrammierte Konflikte mit Costa Rica zu umgehen, dem das Südufer von Río San Juan gehört, sollte der Kanal weiter nördlich verlaufen. Alle Projekte, die den Nicaraguasee als Wasserstraße einbeziehen, sind äußerst problematisch, da dieser eine der Hauptquellen für Trinkwasser darstellt.
Ecocanal
Es existiert aber auch eine umweltgerechtere und kostengünstigere Alternative unter dem Namen Ecocanal. Der Hauptunterschied besteht darin, dass dieses Projekt sich nicht auf den Welthandel ausrichtet, sondern auf den nicaraguanischen Außenhandel. Zwar leben 80 % der Bevölkerung Nicaraguas auf der pazifischen Seite, doch der Handel wird vor allem über den Atlantik abgewickelt. Die Waren werden über Honduras und Costa Rica exportiert und importiert. Mit einem Kanal ließen sich statt dessen jährlich hundert Millionen Dollar einsparen. Die Umweltschäden für die Kanalkorrekturen werden als gering einschätzt.
Canal Seco
Unter dem Namen Canal Seco ist eine Eisenbahn- oder Straßenverbindung zwischen den Küsten gemeint (Monkey Point und Punta de Pie Gigante). Die Umweltschäden dieses Projektes verhalten sich im Vergleich zum Durchstich à la Alemán eher gering, wobei dieses Projekt schon jetzt von Landkonflikten begleitet wird. 1999 wurde unter der Regierung von Alemán ein Gesetz erlassen, welches Enteignung zugunsten des Kanalbaus erlaubte. Der Anschlusshafen an der Atlantikküste, Monkey Point, soll zu einem riesigen Tiefseehafen umgebaut werden. Jedoch ist hier die Heimat des vom Aussterben bedrohten Volkes der Rama. Schon jetzt kommen bewaffnete Warlords, besetzen ihre Gebiete und vertreiben sie von ihrem Land. Zwei Unternehmen (SIT und Cinn) konkurrieren erbittert um die Vergabe des Baurechts. In beiden sitzen politische Führer, so bleibt abzuwarten, wer den Zuschlag bekommt. Die Baukosten sollen in etwa 1,3 Milliarden US Dollar betragen. Ein weiteres Problem ist, dass Panama an einem ähnlichen Vorhaben arbeitet. Dies ist jedoch wesentlich günstiger, vor allem, weil Panamas Landbrücke enger als der von Nicaragua ist.
Wirtschaft
Import: Maschinen und Ausrüstung, Rohmaterialien, Erdölprodukt, Konsumgüter Export: Kaffee, Shrimps und Hummer, Baumwolle, Tabak, Rindfleisch, Zucker, Bananen, Gold
Religion
Die Bevölkerung gehört zu 85 Prozent der römisch-katholischen Konfession an.
Kleidung und Reisegepäck
Berühmtheiten
Gioconda Belli, Schriftstellerin Omar Cabezas, Autor, Revolutionär und Politiker Ernesto Cardenal, katholischer Priester, Poet und Mitbegründer der Befreiungstheologie Rubén Darío, Schriftsteller